Grundlagen Computernetze


Prof. Jürgen Plate

Zugriffsverfahren

Bei jedem Netz gibt es die physikalischen Verbindungswege (Kanäle), über welche die einzelnen Stationen miteinander kommunizieren. Die Art und Weise, wie die einzelnen Stationen diese Kanäle nutzen und belegen, hängt vom jeweiligen System des Zugriffs, dem Zgriffsverfahren, ab. In diesem Abschnitt werden die unterschiedlichen Zugriffsverfahren im Überblick besprochen, wobei nicht auf die Protokolle eingegangen wird. Das Zugriffsverfahren ist nicht von einer bestimmten logischen Netzwerkstruktur abhängig. Lassen Sie uns zu Beginn ein historisch interessantes Verfahren mit ein paar Sätzen würdigen, das Ausgangspunkt für die Entwicklung der heute üblichen Zugriffsverfahren war.:

ALOHA

Dieses Verfahren ist eines der ältesten Zugriffsverfahren und wurde 1970 an der Universität von Hawaii entwickelt ("Aloha" = "Hallo"). Da man die Inseln nicht über Kabel verbinden konnte, hat man ein Funknetz aufgebaut. Die Grundidee ist recht einfach: Jede Station darf jederzeit senden. Danach wartet die sendende Station auf eine Bestätigung auf einem separaten Rückkanal. Senden zwei Stationen zur gleichen Zeit, treten Kollisionen auf - die Datenblöcke sind defekt und es erfolgt keine Bestätigung. Wurde eine Bestätigung empfangen, kann bei Bedarf weitergesendet werden. Im anderen Fall wartet jede Sendestation eine Zeitspanne, deren Länge zufällig bestimmt wird. Danach wird der Datenblock nochmals gesendet. Da die Wartezeit von einem Zufallsgenerator bestimmt wird, löst sich der Datenstau auf. Solange das Verhältnis von aktiver Sendezeit zu Leerlaufzeit hoch genug ist, arbeitet das System sehr gut. Sobald die "Netzlast" steigt, häufen sich Kollisionen, bis schließlich kein Datenblock mehr durchkommt. Der höchste Durchsatz ergibt sich, wenn die Sendeblöcke 18% der Gesamtzeit belegen. Zwei Jahre später wurde eine Verbesserung eingeführt: Slotted ALOHA. Jeder darf nun nur noch zu Beginn eines festgelegten Zeitintervalls mit dem Senden beginnen ("time slot"). Um nun alle Stationen zu synchronisieren, gibt es eine ausgezeichnete Station, die "Zeitmarken" senden darf. Die anderen Stationen synchronisieren sich mit diesem Markengeber. Der maximale Durchsatz wird hier bei einem Sendeanteil von knapp 36% erreicht. ALOHA wird immer noch bei manchen Formen der Kommunikation über Satelliten verwendet.

CSMA/CD

Die Abkürzung "CSMA/CD" steht für "Carrier Sense Multiple Access/Collision Detect". Dieses Verfahren findet häufig bei logischen Busnetzen Anwendung (z. B. Ethernet), kann aber prinzipiell bei allen Topologien eingesetzt werden. Bevor eine Station sendet, hört sie zunächst die Leitung ab, um festzustellen, ob nicht schon ein Datenverkehr zwischen anderen Stationen stattfindet. Erst bei freier Leitung wird gesendet und auch während der Sendung wird mitgehört, um festzustellen, ob eine Kollision mit einer Station auftritt, die zufällig zum gleichen Zeitpunkt mit dem Senden begonnen hat (Collision Detect). Bei allen Leitungen ist eine gewisse Laufzeit (siehe später) zu berücksichtigen, so daß auch dann eine Kollision auftritt, wenn zwei Stationen um eine geringe Zeitspanne versetzt mit dem Senden beginnen. In einem solchen Fall produzieren alle sendenden Stationen ein JAM-Singal auf der Leitung, damit auf jeden Fall alle beteiligten Sende- und Empfangsknoten die Bearbeitung des aktuellen Datenpakets abbrechen.

Schema der Kollision

Das JAM-Signal besteht aus einer 32 Bit langen Folge von 1010101010101010... Danach warten alle sendewilligen Stationen eine zufallsbestimmte Zeit und versuchen es dann nochmals. Alle Stationen im Netz überprüfen die empfangenen Datenpakete und übernehmen diejenigen, die an sie selbst adressiert sind. Wichtigster Vertreter für CSMA/CD ist das Ethernet, dem deshalb ein eigener Abschnitt gewidmet ist. Normalerweise tritt eine Kollision innerhalb der ersten 64 Bytes auf (Weiteres in Kapitel 4, "Slot Time").

Schema des CSMA/CD-Verfahrens

Konfliktparameter k:

k

k>1: Sender könnte eine ganze Nachricht an den Kanal übergeben, bevor ein Konflikt entsteht. Beim CSMA/CD-Verfahren inpraktikabel.
k<1: CSMA/CD-Verfahren praktikabel

Spezifikation: Bei größter zulässiger Netzlänge und kleinster zulässiger Paketlänge ergibt sich k~0,21.

Wartezeit

Die Wartezeit, die nach einer Kollision bis zum nächsten Sendeversuch vergeht, wird im Standard durch ein Backoff-Verfahren festgelegt (Truncated Binary Expotential Backoff). Es wird wie folgt definiert:

Wartezeit = ZZ * T

ZZ = Zufallszahl aus [0 < ZZ < 2n]
n = Anzahl Wiederholungen des gleichen Blocks, jedoch maximal 10
T = Slot Time

Die Slot Time entspricht der doppelten maximalen Signallaufzeit des Übertragungsmediums. Die Wartezeit steigt im statistischen Mittel nach 10 Versuchen nicht mehr an. Nach 16 Versuchen wird abgebrochen und eine Fehlermeldung erzeugt. Damit eine sendende Station eine Kollision sicher erkennen kann, muß die Dauer der Blockübertragung mindestens das Doppelte der Signallaufzeit zwischen den beiden beteiligten Stationen betragen. Somit ist die minimale Blocklänge abhängig von Signallaufzeit und Übertragungsrate. Das Rahmenformat von CSMA/CD ist nach IEEE 802.3 festgelegt. Neben Verkabelungsproblemen gibt es bei CSMA/CD-Netzen einige typische Fehlerquellen. Einige davon sollen hier kurz vorgestellt werden.

Token-Ring

Dieses Netz wurde von IBM entwickelt. Alle Rechner sind hintereinandergeschaltet und somit ringförmig verbunden. Im "Ruhezustand" (keine Station will senden) zirkuliert eine spezielle Nachricht im Netz, das sogenannte "Token" (genauer "Frei-Token", "free token"). Diese Nachricht wird von einem Rechner an den nächsten weitergegeben. Der Rechner, der im Besitz des Frei-Tokens ist, kann senden, indem er an dieses die Nachricht anhängt ("busy token"). Dieser Datenblock wird von Station zu Station weitergereicht, bis sie beim Empfänger angekommen ist. Der Empfänger bestätigt die Nachricht durch eine Acknowledge-Meldung, die mit dem Token weiter auf den Ring geschickt wird und schließlich wieder beim Absender eintrifft. Dieser schickt nun wieder ein Frei-Token auf die Reise.

Token-Ring-Struktur

In der Regel berechtigt der Besitz des Tokens nur zur Sendung eines Blocks (non exhaustive), im anderen Extremfall könnte auch definiert werden, daß die Station soviele Datenblöcke senden kann, wie sie möchte (exhaustive). Damit könnte aber eine Station, die den Token besitzt, alle anderen dominieren. Normalerweise wird deshalb nur ein Block gesendet. Außerdem wird die Dauer der Sendeberechtigung befristet (Token Holding Time, z. B. 10 ms). Solange das Netz fehlerfrei funktioniert, stellt Token-Ring ein sehr einfach handzuhabendes Verfahren dar. Komplexer sind die Aufgaben beim Initieren des Netzes und bein Ein- oder Auskoppeln von Stationen. Token-Ring ist das einzige Netz mit aktiven Stationen, die aus Eingabe- und Ausgabeeinheit bestehen. Grundsätzlich sind alle Stationen gleichberechtigt, jedoch übernimmt eine von ihnen als "aktiver Monitor" besondere Überwachungsaufgaben im Netz. Eine andere Station überwacht als "passiver Monitor" den aktiven Monitor und kann gegebenenfalls dessen Aufgaben übernehmen. Die Aufgaben des aktiven Monitors sind:

In regelmäßigen Abständen sendet der aktive Monitor einen "Active Monitor Present Frame" an alle Stationen im Ring. Gleichzeitig wird dadurch eine Prozedur in Gang gesetzt, die allen Stationen die Adresse des jeweiligen Vorgängers im Ring liefert (NAUN = Nearest Active Upstream Neighbour) - eine Information, die nur im Fehlerfall wichtig ist. Ein Fehler auf Empfangsseite bedeutet, daß der eigene Empfänger oder der Sender des NAUN defekt ist. Die Auswahl des aktiven Monitors geschieht per "Claim-Token Process" durch:

Token-Ring-Netze werden normalerweise als Stern-Ring-Verbindungen mit passiven Ringleitungsverteilern aufgebaut. In den Ringleitungsverteilern befinden sich Relais (die von den Stationen gesteuert werden) zur Eingliederung von Stationen und zur Schaltung von Ersatzringen bei Defekten.

Ringleitungsverteiler

Die Eingliederung einer Station erfolgt in fünf Schritten:

  1. Ist ein Adapter vom Ring getrennt, sind gleichzeitig Eingangs- und Ausgangsleitung kurzgeschlossen. Es erfolgt zunächst ein Adaptertest. Nach dem Test versorgt der Adapter die Relais mit Strom und wird in den Ring eingegliedert.

  2. Die Station hört nun den Ring ab. Wenn sie innerhalb einer festgelegten Zeit keine Aktivität des aktiven Monitors wahrnimmt, startet sie den Prozeß zur Auswahl des aktiven Monitors.

  3. Durch Aussenden eines "Duplicate Address Test Frame" prüft die Station die Eindeutigkeit ihrer Adresse. Ist sie nicht eindeutig, koppelt sich die Station wieder ab.

  4. Durch den NAUN-Prozeß erfährt die Station die Adresse ihres Vorgängers und ist nun ins Netz eingegliedert.

  5. Von den Voreinstellungen abweichende Parameter können nun bei einer Server-Station abgefragt werden, sofern dies nötig ist.

    Die Funktionen von Monitor und der eingegliederten Stationen müssen nicht nur einmalig initiiert, sondern auch ständig überwacht werden. In vielen Fällen sind dies zahlreiche Aktionen, die auch viele Blöcke auf dem Netz zur Folge haben und in deren Verlauf auch Fehler- und Ausnahmebedingungen auftreten können. Der Nachteil von Token-Ring liegt darin, daß beim Ausfall einer Station oder bei Kabeldefekten das Netz unterbrochen wird. Wird die defekte Station hingegen abgeschaltet, schalten die Relais im Ringleitungsverteiler die Leitung durch. Token Ring ist genormt nach IEEE 802.5.

    Token-Bus

    Auch beim Token-Bus wird der Zugriff über Token-Passing geregelt, nur besitzt das Netz Bus- oder Baumstruktur. Hier haben wir also den Fall, daß eine logische Ringstruktur auf eine physikalische Busstruktur aufsetzt. Das Verfahren wird z. B. beim ARCNET und in der industriellen Automatisierung (MAP = Manufactoring Automation Protocol) verwendet. Anders als beim Token-Ring empfangen alle Stationen auf dem Bus die Daten. Daher wird die Reihenfolge der Stationen nicht durch die hardwaremäßige Verbindung, sondern rein logisch durch die Adreßzuordung erledigt. Die Tokens werden von der Station mit der höchsten Adresse an diejenige mit der nächstniedrigeren weitergereicht. Die Station mit der niedrigsten Adresse schließt den logischen Ring durch Adressierung auf die höchste Adresse Token Bus ist genormt nach IEEE 802.4.

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